Interview Bärn Today mit Martina Rubino, veröffentlicht am 12.12.2023
Vor sieben Jahren hat sich Familie Rubino in Rumänien in ein aussergewöhnliches Abenteuer gestürzt. Mit dem Ziel, streunenden Tieren – vor allem Hunden – ein neues zu Hause zu geben. Wie die Berner Familie ihren Alltag in der Auffangstation managt, erzählt Martina Rubino im Interview.
Die «Pfotenhilfe Mogli» ist ein Non-Profit-Verein und wurde im Januar 2014 von Gianni und Martina Rubino gegründet. Seither setzen sie sich für den Tierschutz in Rumänien ein, in den osteuropäischen Staat ausgewandert, sind sie aber erst vor sieben Jahren.
BärnToday: Wieso seid ihr nach Rumänien ausgewandert?
Martina Rubino: Seit wir persönlich vor Ort sind, können wir den Tieren besser helfen. Man ist da, wenn es einen Notfall gibt, kann direkt ausrücken und dem Tier helfen. Ausserdem haben wir die Möglichkeit, Hunde auf der Strasse einzufangen und sie kastrieren zu lassen. So gehen wir das Problem an der Wurzel an. Alles ist einfacher, als wenn man in der Schweiz wohnt und auf die Leute in Rumänien angewiesen ist.
Nach sieben Jahren ist Zeit für eine Bilanz: Wo steht ihr? Was macht ihr hauptsächlich?
Wir sind in den letzten Jahren wahnsinnig gewachsen. Zuerst wollten wir nur 50 Hunde beherbergen. Mittlerweile haben wir das Dreifache an Tieren und die Auffangstation ist doppelt so gross. Und wir wachsen stetig weiter.
Als wichtigste Aufgabe von uns sehen wir die Förderung des Tierwohls. Dazu gehört primär die Aufklärung der Dorfbewohnenden. Das sind die Menschen, die eigentlich für die ganze Strassenhunde-Problematik verantwortlich sind. Wir möchten ihnen vermitteln, dass es wichtig ist, die Hunde zu kastrieren. Wir haben bereits viel erreicht mit den Kastrationen, es ist aber noch ein weiter Weg, bis wirkliche Veränderungen zu sehen sind. Wenn die Leute einen Hund bei uns vorbeibringen, dann bekommen sie einen Bon von umgerechnet vier Franken für den Dorfladen. Ohne dieses Belohnungssystem würde kaum jemand seinen Hund vorbeibringen. Das Tier ist den Leuten hier zu wenig wichtig. Eigentlich gäbe es in Rumänien auch eine Kastrationspflicht für Hunde ohne Stammbaum, damit sie sich nicht mehr vermehren. Leider wird dieses Gesetz aber kaum eingehalten.
Tiere in der Auffangstation in Rumänien
- 162 Hunde
- 2 Ponys
- 1 Pferd
- 4 Kaninchen
- 2 Wasserschildkröten
- 1 Schwein
- 23 Katzen
- unzählige Fische
Also ist es die Politik, die genauer hinschauen müsste?
Ja, würde die Politik genauer hinschauen, respektive ihre Gesetze umsetzen und kontrollieren, dann wäre das Problem viel kleiner. Die Polizei führt die Kontrollen einfach ungenügend durch. Nebst der Kastrationspflicht gibt es auch eine Chip- und Registrations-Pflicht für die Hunde, zudem sollten die Tiere gegen Tollwut geimpft sein.
Da die Probleme im Land so gross sind, gibt es auch viele ausgesetzte Tiere wie Hunde, Katzen und Welpen. Man hat das Gefühl, mit Aufklärungsarbeit könne man in solchen Ländern die Situation verändern. Das Problem ist aber einfach, dass diese Menschen ganz andere Werte und eine andere Mentalität haben. Es fehlt meiner Meinung nach an Respekt für die Tiere. Und an Bildung.
Das kann einen wohl zur Verzweiflung bringen?
Wir führen manchmal ein Leben in einem Hamsterrad. Einerseits hilft man einem Tier, kastriert es – aber dann kommt jemand, der es noch nicht verstanden hat und setzt wieder Welpen aus, statt die Mutter kastrieren zu lassen. Und das gibt einem schon ein Gefühl von Verzweiflung oder Hoffnungslosigkeit. Wir sind nun seit einigen Jahren in Rumänien und die Leute rundherum sollten nun begriffen haben, dass sie die Tiere bei uns abgeben können und wir sie für sie gratis kastrieren lassen. Wir nehmen den Weg auf uns, fahren die Tiere in die Klinik und am Abend auch wieder nachhause. Und dennoch gibt es Leute, die es vorziehen, die Welpen im Wald oder am See auszusetzen. Wird aber die Mutter nicht kastriert, ist das Problem nicht gelöst und sie stehen immer wieder vor der gleichen elenden Situation mit ungewolltem Nachwuchs.
Wie viele Hunde vermittelt ihr in die Schweiz?
Wir nehmen die Notfälle oder verwaisten Tiere bei uns auf, pflegen sie gesund und schauen, dass sie in der Schweiz ein zu Hause finden. Das ist das Schöne an unserer Arbeit. Wir begleiten die Tiere auf dem Weg der Genesung und bieten ihnen ein schönes Leben. Das ist der Lohn unserer Arbeit. 50-80 Hunde werden pro Jahr vermittelt.
Die Hunde, die adoptiert werden, bringen den Familien in der Schweiz wahnsinnig viel Freude. Da bekommen wir auch immer viele «Föteli» und Nachrichten zugeschickt. Uns freut zu sehen und zu hören, wie es den Tieren geht und wie glücklich die Familien über den Zuwachs sind.
Und für die vermittelten Hunde bekommt ihr Geld?
Wir vermitteln die Hunde und bekommen was dafür, aber das nicht kostendeckend. Wenn man einen Welpen mit einer Flasche aufzieht, und er vielleicht noch krank wird, dann verursacht dieser weit mehr Kosten, als der Verein «Pfotenhilfe Mogli» für die Vermittlung der Hunde bekommt.
Wir leben rein von Spenden. Und wir sind sehr froh darüber, dass wir viele treue und tolle Spenderinnen und Spender haben. Sonst könnten wir unsere Arbeit vor Ort gar nicht machen. Aber: Die Summe an Spenden, die wir benötigen, ist riesig – mit all den Tieren, die versorgt werden müssen (Futter, Impfungen, etc.) oder mit allen Notfällen, die in die Klinik müssen.
Bald ist Weihnachten. Einige ihrer Hunde haben da offenbar besondere Wünsche?
Aktuell haben wir viele Senioren-Hunde, welche nicht mehr ein zu Hause in der Schweiz bekommen werden oder dafür nicht geeignet sind, denen lassen wir ab und an mal einen Hamburger zukommen. Es geht darum, mit etwas Speziellem ihren Alltag aufheitern. Da freuen sich die Tiere.
Die Welpen wiederum bekommen gerade neue Plastikbetten, denen kann man so eine Freude machen. Und was natürlich immer und bei allen geht, sind Spielsachen und «Guddelis».